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Eines der wichtigsten Ziele sehbehinderter Personen ist unabhängige Mobilität. Zwei Berufsrichtungen widmen sich diesem Anliegen: Orientierungs- und Mobilitätsrainer, die sich um die Vermittlung der Kenntnisse für das Langstocktraining bemühen, und Blindenführhundausbilder, die Hunde trainieren, Blinde unterweisen und beide gemeinsam zu einer Einheit ausbilden. Viele kürzlich erblindete Personen fragen nach elekronischen Orientierungshilfen. Mein Rat an diese Personen ist stets, nicht als erstes elektronische Orientierungshilfen in Betracht zu ziehen. Das Langstocktraining und der Blindenführhund zählen zu den anerkannten primären Hilfsmitteln für Blinde und haben sich sehr gut bewährt.
Lassen Sie uns annehmen, die blinde Person hat sich entweder für ein Langstocktraining oder einen Ausbildungslehrgang mit einem Blindenführhund entschieden. (Die Entscheidung für die eine oder andere Form primärer Orientierungshilfen hat weniger mit dem unterschiedlichen Sehrest der blinden Person zu tun als mit den ihr eigenen Lebensgewohnheiten und der jeweiligen Verfügbarkeit des einen oder anderen Trainings. Sowohl die einen als auch die anderen Anwender des jeweiligen Trainingsprogramms verfügen in der Regel über ein sehr unterschiedlich ausgeprägtes Restsehvermögen). Nun wollen wir uns der anfangs gestellten Frage zuwenden : "Elektronische Orientierungshilfen für Blinde - warum sich länger quälen?" Präzise formuliert, könnte diese Frage auch so lauten: Welche hilfreichen Zusatzinformationen könnte ein elektronisches Orientierungshilfsmittel einer sehbehinderten/ blinden Person vermitteln, die sie nicht bereits über die ihr verbleibenden restlichen Sinne in Verbindung mit einem Blindenführhund oder einem Langstock erhält? Die Erforschung dieser Frage war eines der Ziele, die sich die Gesellschaft zur Erforschung der Mobilität blinder Menschen, die Blind Mobility Research Unit (BMRU) an der Universität Nottingham/England gesetzt hatte. Ich verbrachte 17 Jahre als Forscher für die BMRU. Die ersten Experimente mit elektronischen Orientierungshilfen versuchten, möglichst viele Informationen an die blinde Person zu übermitteln. Es handelte sich dabei um visuelle "Ersatzsysteme", die entwickelt wurden, um dem Anwender über die verbleibenden Restsinne ein möglichst wirklichkeitsgetreues Abbild der Welt zu bieten. Man ging dabei von dem Grundgedanken aus, dass diese Entwicklungen eine Alternative zu den primären Hilfsmitteln darstellen könnten. Blinde wären dann nicht länger ausschliesslich auf den Langstock oder den Blindenführhund angewiesen. Diese Hoffnung ist weltweit immer noch die Motivation unzähliger Ingenieursabteilungen. Ein wirklicher Fortschritt wurde durch den Psychologen und BMRU Gründer Alfred Leonard erzielt, der eine ebenso einfache wie aufschlussreiche Untersuchung durchführte. Er fand heraus, dass ein durchschnittlicher Langstockanwender sich auffallend sicherer, harmonischer und fliessender bewegte, wenn eine unmittelbar hinter dem/der Blinden gehende Person leise und kurze Informationen gab. Ausserdem zeigte es sich, dass schon sehr wenig Zusatzinformation völlig ausreichend war, um diesen Effekt zu erzielen. Er schloss daraus, dass es erforderlich war, ein elektronisches Hilfsmittel zu entwickeln, das den Blinden mit einer kleinen Menge relevanter Informationen versorgen sollte. Ausserdem sollten diese Informationen der blinden Person so übermittelt werden, dass andere Informationskanäle nicht blockiert oder beeinträchtigt würden. Auf der Basis dieser und anderer Untersuchungen, die sich mit der Erforschung elektronischer Orientierungshilfen auseinandersetzten, wuchs die Überzeugung Leonards, dass man versuchen sollte, elektronische Orientierungshilfen als Ergänzung zu den den primären Hilfsmitteln einzusetzen. Der Nutzen elektronischer Orientierungshilfen sollte demzufolge nicht länger an der Fülle der übermittelten Information gemessen werden, sondern an dem unmittelbaren Nutzen für den Anwender. Um welche Bereiche handelt es sich also, die bei der alleinigen Anwendung eines Langstocks oder Blindenführhundes durch elektronische Hilfsmittel unterstützt werden könnten? In der Regel handelt es sich vor allem um drei Bereiche: - die generelle Orientierung.